Kfz-Versicherungen

„Telematik wird kaum nachgefragt und hat technische Schwachstellen“

Telematik-Tarife gelten als der große Zukunftstrend in der Kfz-Versicherung. Doch im Gespräch mit Maklern zeigen sich nicht nur die mangelnde Nachfrage, sondern auch Bedenken hinsichtlich technischer Umsetzung und Datenschutz.

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15:02 Uhr | 24. Februar | 2020
Der Andrang hält sich bei Telematik-Tarifen noch stark in Grenzen. Das berichten Makler auch aus eigener Erfahrung.

Der Andrang hält sich bei Telematik-Tarifen noch stark in Grenzen. Das berichten Makler auch aus eigener Erfahrung. Bild: Pixabay

Ob sie ihren Kunden Telematik-Tarife in der Kfz-Versicherung empfehlen? Diese Frage können die Versicherungsmakler Marlene Drescher und Rainer Schamberger klar mit nein beantworten. Makler Tobias Bierl formulierte es auf procontra-Nachfrage etwas diplomatischer, kam aber zum selben Ergebnis: „Wir müssten deswegen im nicht immer wirklich lukrativen Kfz-Geschäft tiefer in die Thematik einsteigen. Zudem hat jede Gesellschaft unterschiedliche Ansätze. Wir würden unsere Beratung noch mehr verkomplizieren. Aus diesem Grund nehmen wir die Thematik rund um den Telematik-Tarif nicht in die Beratung auf.“

Diese Haltung der unabhängigen Vermittler dürfte Kfz-Versicherer ins Grübeln bringen. Schließlich betonen Experten immer wieder, dass Telematik-Tarife, bei denen die Beiträge der Nutzer nach ihrem individuellen Fahrverhalten ermittelt werden, der nächste große Trend in der Kfz-Versicherung ist.

Telematik wird quasi gar nicht nachgefragt

Doch für wen eigentlich? Knapp die Hälfte der 50 größten Kfz-Versicherer läuft seit Jahren den Verlusten hinterher. Ob gerade ihnen preisgünstige Produkte weiterhelfen können, darf bezweifelt werden. Tendenziell könnten Telematik-Tarife, die überwiegend eine junge und technik-affine Zielgruppe ansprechen, besonders für die Kfz-Versicherer etwas sein, die seit Jahren viele Kunden verlieren. Doch die Vertragsabschlüsse halten sich bei den modernen Tarifen immer noch stark in Grenzen.

Die schwache Nachfrage können Makler auch in der Praxis bestätigen. Die Bierls haben genau zwei Kunden mit Telematik-Verträgen im Bestand. Beide hätten den Tarif damals auch aktiv nachgefragt. Drescher kann sich in 18 Jahren als Maklerin ebenfalls nur an zwei Kunden erinnern, die etwas zu dem Thema wissen wollten. „Denen habe ich es kurz erklärt und dann haben sie es schnell abgewunken“, erzählt die Maklerin aus dem thüringischen Altenbergen.

Schamberger wurde noch gar nicht auf diese Tarife angesprochen, hat den Fokus allerdings auch auf Gewerbekunden. Telematik-Tarife würden aus seiner Sicht aber auch aufgrund technischer Aspekte kaum Sinn machen.

Einer aktuellen Umfrage zufolge halten es 10 Prozent der Deutschen für (sehr) wahrscheinlich, bald eine Telematik-basierte Kfz-Police erstmals abzuschließen beziehungsweise dies erneut zu tun. Interessiert zeigen sich demnach vor allem junge Männer bis 25 Jahre. Für diese Zielgruppe sieht auch Schamberger die neuen Telematik-Tarife konzipiert. „Aber wegen der vielen Faktoren und auftretenden Problematiken empfinden wir diese Tarife als nicht empfehlenswert“, betont der junge Makler.

Fahrten in der Rush-Hour

Als Beispiel für diese Probleme nennt er Fahrten in der Stadt zur Rush Hour. „Es wird dann ständig und auch mal härter gebremst. Das kann schnell den Beitrag negativ beeinflussen“, so Schamberger. Auch technische Fehlerquellen hat er schon festgestellt, wenn manchmal ein Neukunde eine Telematik-Police mitgebracht hat. Wenn zum Beispiel ein Smartphone-Betriebssystem oder eine notwendige App nicht aktualisiert ist, wurden nur ungenaue oder gar keine Daten erfasst. Bei Fahrten in ländlichen Regionen sei zudem manchmal kein GPS-Empfang oder mobiles Datennetz vorhanden.

Wenig überraschend: Telematik-interessierte Verbraucher nennen ganz überwiegend einen günstigeren Beitrag als Motivation für ihre Teilnahme. „Das müssen dann schon absolute Sparfüchse sein, denen es vollkommen egal ist, wie sie Einsparungen in der Kfz-Versicherung erzielen können. Es sollte die Kunden dann aber natürlich auch nicht stören, dass sie mehr oder weniger überwacht werden“, findet Drescher. Auch Schamberger ist aus Überzeugung gegen die Kontrolle und Aufzeichnung der Daten zum Fahrverhalten, aus denen sich auch Verhaltensmuster ableiten lassen. Ein Gedanke, den auch Umfrageteilnehmer immer wieder als Manko an den neuen Produkten benennen.

Bei der Finanzberatung Bierl appelliert man zwar in Richtung der Versicherer, den Datenschutz bei diesem Thema nicht aus den Augen zu verlieren. Eine kleine Zielgruppe, so glaubt man, gebe es aber sicher, die für einen günstigeren Preis die Überwachung ihrer Fahrdaten in Kauf nehmen.

„Eine Box wird sich nicht durchsetzen“

Grundsätzlich werde die Nachfrage nach Versicherungen auf Basis von individuellem Verhalten in den nächsten Jahren schon steigen, schätzt Bierl. Die Handhabung müsste dann aber so einfach wie möglich gehalten werden. „Nach unserer Auffassung wird sich eine Box oder ein ähnliches Gerät nicht durchsetzen. Wenn, dann muss dies über eine App oder ähnliches auf dem Smartphone passieren“, meint der Makler aus dem bayerischen Kirchenrohrbach.

Vermutlich keine schlechte Einschätzung. Denn trotz großer Hoffnungen hatte sich am Beispiel des GDV-Unfallmeldesteckers gezeigt, dass viele Kunden ihre Geräte nach Bestellung nicht einmal aktiviert hatten.