Viele Versicherer verzweifeln an ihren IT-Systemen
Die veralteten IT-Systeme deutscher Versicherungsunternehmen schwelen schon seit Jahren gefährlich hinter den Türen der Branche. Prominentes Beispiel dafür, dass sich so ein Schwelbrand auch entzünden kann, war vor nicht allzu langer Zeit die Allianz. Im Jahr 2018 hatte sich in vielen Sparten die Anzahl der BaFin-Beschwerden über den Marktführer deutlich erhöht. Dafür ursächlich waren dringend notwendige Umstellungen in der IT der Münchener, um beispielsweise in der PKV eingereichte Rechnungen endlich innerhalb eines Tages erstatten zu können – ein Service, den viele Kunden bereits als Standard voraussetzen. In der Folge des internen Software-Kraftakts kam es aber zu zahlreichen doppelten Beitragsabbuchungen bei Kunden und Extranet-Sperrungen für Vermittler, die dadurch finanzielle Einbußen erlitten.
Mit ihrem Problem stand die Allianz damals nicht allein da und auch heute sitzen viele Versicherer noch auf den Pulverfässern veralteter Bestandsführungssysteme. Häufig wurden diese von den eigenen EDV-Abteilungen entwickelt und als Flickschusterei über die Jahre immer weiter verbastelt. Vereinfacht gesagt: Viele deutsche Versicherer nutzen IT-Systeme, die nicht von der Stange sind und für die es kaum geeignetes Fachpersonal für Updates oder Notfälle gibt.
Das bestätigt aktuell auch eine Umfrage des Software-Herstellers Adcubum zusammen mit der Strategieberatung EY unter 15 deutschen Komposit-Versicherern. Von diesen haben sich 87 Prozent dafür ausgesprochen, mittelfristig in die Modernisierung ihrer Bestandsführungssysteme investieren zu wollen.
IT-Fachkräftemangel bremst Versicherer aus
Diese lange vermisste Investitionsbereitschaft fußt offenbar auf den Erkenntnissen aus der Corona-Pandemie. Schon im ersten Lockdown hatten Experten darauf hingewiesen, dass sich die veralteten IT-Systeme vieler Versicherer in einer von Homeoffice und digitaler Kommunikation geprägten Phase bemerkbar machen werden. Die Umfrageteilnehmer aus dem Bereich SHU-RS sind zu 69 Prozent der Meinung, mit ihren Bestandsführungssystemen für die Zukunft nicht gut aufgestellt zu sein. Von zusätzlich zwölf befragten Kfz-Versicherern teilen 92 Prozent diese Meinung.
Doch auch, wenn die Bereitschaft zum Wandel mittlerweile da ist, so wird sich dieser noch einige Zeit hinauszögern. Denn laut der Studie stehen viele Versicherer vor dem Problem des IT-Fachkräftemangels. Zwei Drittel der befragten Komposit-Versicherer gaben an, dass fehlende personelle Ressourcen sie voraussichtlich daran hindern werden, kurz- oder mittelfristig aktiv zu werden. Im Klartext: Viele Versicherer wollen ihre IT erneuern, kriegen es aber praktisch nicht hin.
Teure Updates für Marke Eigenbau erwartet
Zudem nannten 64 Prozent der Unternehmen die Höhe des Investitionsvolumens als Hinderungsgrund. Adcubum-CCO für den deutschen Markt, Franz Bergmüller, gibt einen nicht ganz uneigennützigen Ratschlag: „Komplexe Eigenentwicklungen sind extrem teuer und zudem aufgrund des IT-Fachkräftemangels von den Versicherungsunternehmen kaum noch zu stemmen. Bei der Überarbeitung des Kernsystems empfiehlt es sich daher, auf eine zukunftsfeste Standardsoftware eines etablierten Anbieters zurückzugreifen. Das System kann dann je nach Einsatzzweck flexibel konfiguriert und adaptiert werden. So werden ökonomische und personelle Zwänge abgefedert – und zwar ohne Einbußen bei der Leistungsfähigkeit des Kernsystems.“
Doch damit trifft er offenbar auch die Vorstellungen der meisten Anbieter. Denn zwei Drittel der befragten Unternehmen gaben an, sich bei einer Investition in ihre Kernsysteme für einen kompletten Neubau entscheiden zu wollen.
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