BdV-Wissenschaftstagung

Macht Künstliche Intelligenz Versicherungen teurer oder billiger?

KI ist gekommen um zu bleiben. Doch wie wird sie sich auf die Versicherungsbranche auswirken? Die Experten auf der Wissenschaftstagung des Bunds der Versicherten vertraten hier unterschiedliche Meinungen.

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11:04 Uhr | 26. April | 2024
Künstliche Intelligenz

Welchen Einfluss hat die Künstliche Intelligenz auf die Versicherungsbranche? Um diese Frage ging es in diesem Jahr auf der Wissenschaftstagung des Bunds der Versicherten.

| Quelle: mesh cube

„Die Künstliche Intelligenz ist gekommen um zu bleiben.“ Über diese Aussage waren sich wohl alle Teilnehmer der diesjährigen Wissenschaftstagung des Bunds der Versicherten einig. Doch ob und wenn ja, in welchen Bereichen die KI die Versicherungswirtschaft auf den Kopf stellen oder zumindest maßgeblich beeinflussen wird, darüber gehen die Meinungen auseinander.

„Künstliche Intelligenz kann unseren Sektor auf die nächste Stufe heben“, ist Sebastian Stadie, Director Insurance Group bei der Wirtschaftsprüfergesellschaft Deloitte, überzeugt. Einsatzmöglichkeiten gibt es praktisch über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg. Die vier größten Einsatzmöglichkeiten sieht Stadie jedoch im Kundenservice, bei der Betrugserkennung, bei der Risikobewertung und zur Effizienzsteigerung.

Individuellere Tarife dank KI?

So ließen sich mittels KI – so zumindest die Hoffnung – mittels Nutzung zusätzlicher Daten beispielsweise individuellere Tarife kreieren. In welche Richtung es hier gehen könne, zeige bereits die W&W-Tochter Adam Riese, bei der man für den jeweiligen Hund einen individuellen Tarif in der Hundehalterhaftpflicht errechnet bekomme.

Der größte Einsatzbereich sei derzeit jedoch die Schadenerkennung, führte Martin Thormählen, Chief Technology Officer bei der Munich Re, aus. Da jedoch auch Betrüger im zunehmenden Maße sich der Künstlichen Intelligenz bedienen, beispielsweise bei der Fälschung vermeintlicher Schaden-Beweisfotos, komme es in diesem Bereich zu einem Wettrüsten zwischen Versicherern und Betrügern.

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Nicht immer sei der Einsatz von KI jedoch auch nötig, bemerkte Thormählen. So könne ein Versicherer, sofern er feststelle, dass er 80 Prozent der eingehenden Schäden sowieso bezahle, bestimmte Schäden auch regelbasiert auszahlen lassen. Der Kunde würde durch die schnelle Auszahlung glücklich gemacht, eine KI wäre in diesem Fall nicht notwendig.

KI verursacht hohe Kosten

Zumal der Einsatz von Künstlicher Intelligenz für die Versicherer auch hohe Kosten mit sich bringt. Diese sind nicht nur auf den hohen Energieverbrauch durch die KI zurückzuführen, sondern auch auf die Kosten für die qualitative Aufarbeitung der Daten. „KI ist nur so gut wie die ihr zur Verfügung stehen Daten“, bemerkte Deloitte-Mann Stadie. Die Versicherer müssten ihre Daten erst „KI-ready“ machen: Gerade für ältere Unternehmen mit diversen Bestandsführungssystemen sei das ein aufwendiger und entsprechend auch kostenintensiver Prozess.

Das größte Risiko durch den Einsatz von KI sieht Stadie im Ende des Versichertenkollektivs. Wenn jeder einen auf sein individuelles Risiko zugeschnittenen Tarif bekäme, wären diejenigen mit hohen Risiken nicht mehr versicherbar. Ein Ausgleich über das Kollektiv würde nicht mehr stattfinden. Dieses Problem müsse dringend bedacht werden, fordert Stadie. „Alles andere kriegen wir in den Griff.“

Zugleich glaubt Stadie, dass Versicherungen durch den Einsatz von KI generell besser und günstiger werden könnten für die Kunden. Hier bezog Karl Michael Ortmann, Aktuar und Professor an der Berliner Hochschule für Technik, eine Gegenposition.

Maßgeschneiderte Angebote statt Tarife

Er argumentierte, dass die KI nicht so sehr zur Kreierung maßgeschneideter Versicherungen eingesetzt werden dürfte, sondern vielmehr für maßgeschneiderte Angebote zum richtigen Zeitpunkt. Wer also kurzfristig eine Versicherung brauchen könnte, bekommt diese angeboten – dann aber nicht unbedingt zum günstigen Preis. 

Dennoch billigt Ortmann der Künstlichen Intelligenz durchaus ein disruptives Potenzial zu. Dies liegt für ihn jedoch nicht in der Preisgestaltung, sondern vielmehr in der Kundenzufriedenheit. „Wenn der Kunden jederzeit einen Schaden abwickeln, eine Police abschließen oder Hilfe anfordern kann, gibt es einen großen Kundennutzen“, so Ortmann. Und hier könne die KI helfen.