34f-Vermittler: Warum BaFin-Aufsicht keinen Sinn macht
Der Wechsel der Aufsichtsbehörden für Finanzanlagenvermittler könnte zu einer drastischen Marktkonsolidierung führen. Dennoch will die Bundesregierung daran festhalten und „strebt eine zügige Übertragung an“, wie sie in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen betonte. Einzelheiten seien Gegenstand „andauernder Erörterungen der beteiligten Ressorts“, hieß es.
Die Antwort enthält auch Aufstellungen zur Zahl und regionalen Verteilung von Finanzanlagenvermittlern, die von Industrie- und Handelskammern oder Gewerbebehörden beaufsichtigt werden. Deutschlandweit hatten Anfang April 37.784 Finanzanlagenvermittler eine Erlaubnis nach Paragraf 34f Gewerbeordnung, die meisten davon in Bayern (7.327) und Nordrhein-Westfalen (6.411).
Auf die Frage, welche Gefahr von Interessenkonflikten die Bundesregierung vor dem Hintergrund sieht, dass die IHK‘n einerseits als Wirtschaftsplattformen die Interessen der gewerblichen Vermittler vertreten und andererseits für deren Aufsicht und Zulassung zuständig sind, lautet die Antwort: „Die Bundesregierung sieht keine Gefahr von Interessenkonflikten.“ Zugleich gibt die Regierung zu, keinerlei Erkenntnisse zu Schadenfällen und Schadenhöhen durch Finanzvermittlung in den Jahren 2013 bis 2018 zu besitzen.
Zügiger Wechsel der 34f-Aufsicht?
Bei dieser Faktenlage erscheint der „zügige“ Wechsel der Aufsicht über 34f-Vermittler von den IHK ‘n zur BaFin wie blinder Aktionismus. Norman Wirth, geschäftsführender Vorstand des AfW Bundesverband Finanzdienstleistung, betont, dass erst 2013 das heutige Zulassungs- und Aufsichtssystem eingeführt wurde. Er sieht keinen Grund für einen Systemwechsel, zumal dann mit BaFin-Aufsichtskosten von rund 3.000 Euro pro Jahr und Vermittlerfirma zu rechnen sei (procontra berichtete).
Das sieht auch Michael H. Heinz so. Der Präsident des Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) befürchtet zudem, dass die BaFin mit der Aufsicht überfordert wäre: „Eine zentrale Behörde wie die BaFin wäre durch den erforderlichen großen bürokratischen und kostenintensiven Aufwand auf absehbare Zeit nicht in der Lage, die große Anzahl der Vermittler effizient zu beaufsichtigen.“
Zudem wäre laut AfW zu befürchten, dass auf lange Sicht dann auch die Versicherungsvermittler unter die teure BaFin-Aufsicht kommen. Bis dahin bekämen es Vermittler mit 34d- und 34f-Zulassung mit einer doppelten Aufsicht zu tun. Auch Heinz hält nichts von einer Doppelaufsicht: „Dann würde ein Vermittler mit Zulassung nach Paragraf 34d und 34f zwei verschiedenen Aufsichtsbehörden unterfallen - wieder ein Mehr an Regulierung und Bürokratie. Damit muss Schluss sein“, betont Heinz.
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Später auch 34d-Vermittler unter BaFin-Aufsicht?
Anders sieht das Hans-Georg Jenssen, Vorstand des Bundesverbandes Deutscher Versicherungs-Makler (BDVM). Er hatte sich bereits bei der Umsetzung der IMD 2006/2007 dafür ausgesprochen, Versicherungsvermittler unter Aufsicht der BaFin zu stellen. „Wir sind das einzige Land in Europa, bei dem die Versicherungsaufsicht nicht auch die Aufsicht über die Vermittler hat“, sagt Jenssen. Bei IHK-Aufsicht bliebe „der Mangel, dass auf europäischer Ebene EIOPA munter über Vermittlerfragen entscheidet, aber die BaFin dafür in Deutschland gar kein Mandat hat“, so Jenssen weiter.
Diese Situation führe auch dazu, dass die BaFin verstärkt versuche, über eine Kontrolle der Versicherer die Versicherungsvermittler zu kontrollieren. „Es ist naturgemäß keine Wunschvorstellung des Sachwalters des Kunden, durch den Versicherer kontrolliert zu werden, quasi als verlängerter Arm der BaFin“, betont der BDVM-Vorstand. Im Zweifel sollte die BaFin künftig neben den 34f-Vermittlern auch die 34d-Vermittler beaufsichtigen, um bürokratischen Mehraufwand zu vermeiden.
Eine Evaluierung des Paragrafen 34f GewO, der seit sechs Jahren gilt, hat aber bisher nie stattgefunden, obwohl dies im Gesetzgebungsverfahren festgeschrieben worden war. Dank der Finanzanlagen-Vermittlungsverordnung (FinVermV) gibt es Berufszulassungshürden, klare Informations-, Vermittlungs- und Dokumentationspflichten, eine Haftpflichtversicherung jedes Vermittlers. Und eine mittlerweile etabliertes Aufsichtssystem aus Wirtschaftsprüfern und Aufsichtsbehörde.
Evaluierung des Paragrafen 34f wäre jetzt angezeigt
„Bei einer Evaluierung würde der Gesetzgeber feststellen, dass die ursprüngliche FinVermV zu einer deutlichen Marktbereinigung, mehr Transparenz und einer höheren Vermittlungsqualität geführt hat“, sagt Dr. Martin Duncker, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, der in der Kanzlei Schlatter Rechtsanwälte Steuerberater PartGmbH arbeitet.
„Wir sind überzeugt, dass eine Überprüfung deutliche Argumente gegen seine Abschaffung liefern würde“, heißt es auch bei der Bundesarbeitsgemeinschaft mittelständischer Investmentpartner (BMI). Hintergrund: Etliche Anlageskandale, wie Piccor, Infinus, German Pellets oder Lehman, fanden im Bereich der von der BaFin beaufsichtigten Anbieter statt. Tendenziell würden häufiger Banken wegen Fehlberatung verurteilt als mittelständische Finanzanlagenvermittler. Mittelständische Unternehmer sehen eben die persönliche und langfristige Kundenbeziehung als ihr wichtigstes Kapital an, und Falschberatung schlägt bei diesen Strukturen sofort massiv durch. „Die BaFin-Aufsicht allein geht also keineswegs einher mit einem qualitativ höheren Verbraucherschutz“, so die BMI.
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Aufsicht über Institute schlechter als über Vermittler?
Das sieht auch Wirth so. „Es gibt auch keine Vermittler-Skandale, aber Produkt- oder Institutsskandale, wie Prokon, S&K, P&R, Deutsche Bank, bei der die BaFin in ihrer Aufsichtsfunktion gefordert gewesen wäre, aber offensichtlich versagt hat.“ Der AfW fragt sich auch, wo bei der BaFin die Quelle der Kompetenz für die Beaufsichtigung von 37.500 Vermittlern herkommen soll? „Die Institutsaufsicht der BaFin funktioniert schlechter als die gewerberechtliche Aufsicht der 34f-Vermittler“, so Wirth.
Von den 1.340 Teilnehmern des AfW-Vermittlerbarometers 2018 (procontra berichtete) waren 86 Prozent als 34d-Vermittler und 64 Prozent als 34f-Vermittler zugelassen (Mehrfachnennungen erlaubt). Kämen die 34f-Vermittler unter BaFin-Aufsicht, ginge die Einheitlichkeit der Aufsicht verloren. Eine Aufspaltung brächte Mehrbelastungen für die Unternehmen und Effizienzverluste bei der Aufsicht.
„Zudem ist die von der BaFin praktizierte Institutsaufsicht für kleine und mittelständische Finanzanlagenvermittler drei Nummern zu hoch gegriffen“, hat die BMI beobachtet. Bereits kleinere Volks- und Raiffeisenbanken hätten Probleme, den Umfang und die Kosten der aktuellen BaFin-Aufsicht zu stemmen. Bei ähnlich bürokratischen Prüfprozessen wäre das für zehntausende kleinere Unternehmen und ihre Mitarbeiter der Todesstoß. Diese Existenzvernichtung wäre ein unverhältnismäßiger Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Geschäftsbetrieb und verfassungsrechtlich (Artikel 12 Grundgesetz) außerordentlich bedenklich.
Macht Aufsichtswechsel neue FinVermV überflüssig?
Die BaFin selbst hat schon eine Arbeitsgruppe zur Installation der 34f-Aufsicht eingerichtet. Ergebnisse sind nicht bekannt. „Ein Gleichlauf der vertraglichen Regelwerke für Berufszulassung und Berufsausübung zwischen freien Vermittlern einerseits und KWG-Instituten andererseits ist bislang nicht geplant. Wollte der Gesetzgeber diesen Dualismus ändern, müsste er schon tiefer in die Gesetzessystematik eingreifen. Dies ist aktuell nicht angedacht“, sagt Fachanwalt Duncker.
Übrigens: Ein Aufsichtswechsel schafft Paragraf 34f GewO nicht ab; das Verfahren zur Berufszulassung bliebe bestehen. Dennoch fragt man sich, welchen Sinn die lange überfällige Novellierung der FinVermV bei einem Aufsichtswechsel dann noch hätte. „Gar keinen, wenn die Aufsicht auch zu einem kompletten Regimewechsel dahingehend führt, dass die Finanzanlagenvermittler unmittelbar dem Wertpapierhandelsgesetz unterworfen werden“, sagt Wirth.
Die Verordnung hätte zur Umsetzung der Mifid-II-Richtlinie, die bereits zum 3. Januar 2018 in Kraft getreten war, längst verabschiedet sein müssen. Nachdem Verbände massive handwerkliche Mängel kritisiert hatten, schiebt der Bundesrat seine Entscheidung bereits seit Dezember 2018 vor sich her.
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