Kritik vom Fondsverband

Aktionärsrechte werden zunehmend geschwächt

Mittlerweile spielt sich ein Großteil der Hauptversammlungen großer Konzerne im Netz ab – oft zum Ärger von Aktionären, die immer wieder mit technischen Störungen kämpfen. Gleichzeitig werden ihre Rechte jedoch noch an anderer Stelle ausgehöhlt, kritisiert der Fondsverband BVI.

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15:11 Uhr | 01. November | 2023
Gesetzgeber schwächt Aktionärsrechte

Die Kritik an den virtuellen Hauptversammlungen für Aktionäre reißt nicht ab. Doch auch der Gesetzgeber schwäche die Rechte der Anteilseigner, kritisiert der Fondsverband BVI.

| Quelle: ismagilov

Während der Pandemie wurden Hauptversammlungen, in denen sich Unternehmensvorstände den Fragen und der Kritik von Aktionären stellen müssen, virtuell abgehalten. Was als Notlösung gedacht war, hat sich dauerhaft etabliert: Viele Konzerne halten an dem Konzept fest. Das hat schon häufig zu Unmut geführt – auf Seiten der Aktionärsschützer und der Anteilseigner selbst. Der Grund: Technische Störungen, die zu Unterbrechungen der Versammlungen führen und diese entsprechend in die Länge ziehen. Demnach ist es in diesem Jahr bei jeder dritten Online-Zusammenkunft in Deutschland zu derlei Problemen gekommen, wie kürzlich die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), die private Aktionäre vertritt, in einer Untersuchung feststellte.

Nun legt der Fondsverband BVI nach und übt ebenfalls Kritik am Vorgehen der Aktiengesellschaften. Der BVI bemängelt, dass lediglich 73 der 160 in der DAX-Familie vertretenden Aktiengesellschaften in der Hauptversammlungssaison wieder auf Präsenz-Veranstaltungen gesetzt haben. „Im DAX 40 allein blieben fast 70 Prozent beim virtuellen Format. Nur wenige Unternehmen wichen zugunsten ihrer Aktionäre davon ab“, moniert der Verband. Darunter: Telekom, BASF, SAP und VW. Im MDAX war das Verhältnis ausgeglichen, im SDAX überwog mit 60 Prozent sogar das Präsenzformat. Die Anzahl der Aktionäre ist hier jedoch ohnehin kleiner, der Aufwand für eine Versammlung in realita geringer.

„Hauptversammlung weiter entwertet“

An der Vorliebe der Konzerne für den digitalen Weg wird sich absehbar wenig ändern: Die überwiegende Mehrheit der 160 in der DAX-Familie vertretenen Unternehmen werde auch künftig virtuelle Hauptversammlungen abhalten – die Ermächtigungen dafür haben die Unternehmen, laut BVI, bereits eingeholt. „Ein echter Dialog zwischen Aktionären, Vorstand und Aufsichtsrat konnte auch bei den Online-Hauptversammlungen 2023, deren technische Durchführung häufig zu wünschen übrigließ, nicht stattfinden. Das hat die Hauptversammlung als oberstes Kontrollorgan und Sprachrohr der Aktionäre weiter entwertet“, sagt Thomas Richter, BVI-Hauptgeschäftsführer. Die DSW hatte kürzlich ein hybrides Modell gefordert, das Aktionären die Wahl zwischen Online- und Präsenzformat lässt.

Zudem haben zahlreiche Unternehmen am selben Tag zur Hauptversammlung eingeladen, was Aktionären die Teilnahme erschwerte, institutionellen Investoren zum Teil sogar unmöglich machte. „So haben zum Beispiel am 17. Mai 2023 insgesamt 21 im HDAX vertretene Unternehmen ihre Hauptversammlung abgehalten“, erklärt der Verband. Klaus Nieding, Anlegeranwalt der DSW äußerte sich gegenüber der ARD dazu bereits eindeutig: „Das kann kein Zufall sein.“ Er interpretiert das Vorgehen der Unternehmen als Flucht vor den Aktionären.

Mitspracherechte in Gefahr

Einen weiteren Kritikpunkt äußert der Fondsverband hinsichtlich der vorgesehenen Einführung von Mehrstimmrechtsaktien. Dabei handelt es sich um Aktien, die das Vielfache des einfachen Stimmrechts einer normalen Aktie haben, im aktuellen Gesetzesentwurf sogar bis zum Zehnfachen. Unternehmen könnten also Aktien mit Stimmrechten ausgegeben, die den Anteil am Grundkapital des Unternehmens übersteigen. Diese Mehrstimmrechtsaktien sind im derzeitigen Regierungsentwurf zum Zukunftsfinanzierungsgesetz vorgesehen. Laut BVI schadet das Klein- und Großanlegern und verhindert die Mitspracherechte der Investoren. Das „One Share, One Vote“-Prinzip sei grundlegend für das Engagement der Aktionäre. Nicht ohne Grund ist das Mehrfachstimmrecht Ende der Neunzigerjahre abgeschafft worden."

Der Gedanke hinter dem aktuellen Vorstoß: Start-ups sollen sich so leichter Geld vom Kapitalmarkt holen und gleichzeitig die Kontrolle behalten können. Aktionäre, die das finanzielle Risiko tragen, könnten dann also nicht mehr wie bisher über die Zukunft eines Unternehmens mitentscheiden. Wirkliche Anreize zur Stärkung der Aktienanlage lasse der Regierungsentwurf gänzlich vermissen, so das vernichtende Urteil des Fondsverbands.