„BaFin fehlt die Kompetenz zur Vermittleraufsicht“
procontra: Die 34f-Vermittler könnten bald durch die BaFin beaufsichtigt werden. Ein entsprechendes Eckpunktepapier liegt inzwischen vor (procontra berichtete). Ein Gesetzesentwurf wird kurzfristig avisiert. Was glauben Sie, warum der Aufsichtswechsel kommen soll?
Norman Wirth: Mir kommt der geplante Wechsel der Aufsicht von den Industrie- und Handelskammern (IHK) wie blinder Aktionismus vor, den die SPD vorangetrieben hat. Die Regierung selbst räumte kürzlich in einer Kleinen Anfrage ein, dass sie keine Gefahr von Interessenkonflikten bei den IHK sieht, obwohl die Einrichtungen einerseits als Wirtschaftsplattformen die Interessen der gewerblichen Vermittler vertreten und andererseits für deren Aufsicht und Zulassung zuständig sind. Laut Eckpunktepapier will man jedenfalls eine einheitliche und qualitativ hochwertige Finanzaufsicht erreichen.
procontra: Kann es sein, dass in der Politik der Eindruck vorherrscht, die gewerbliche Aufsicht durch die IHK habe Vermittlerskandale nicht verhindert?
Wirth: Das wäre mir unverständlich. Zumindest musste die Regierung in besagter Kleinen Anfrage zugeben, keinerlei Erkenntnisse zu Schadenfällen und Schadenhöhen durch freie Finanzvermittlung in den Jahren 2013 bis 2018 zu besitzen. Etliche Produkt- oder Institutsskandale, wie Prokon, Infinus, S&K, P&R oder Deutsche Bank, fanden dagegen im Bereich der von der BaFin beaufsichtigten Anbieter statt. Die BaFin wäre da gefordert gewesen, hat aber offensichtlich versagt. Die Institutsaufsicht funktioniert also schlechter als die gewerberechtliche Aufsicht der 34f-Vermittler. Woher soll da die Kompetenz der BaFin zur Vermitleraufsicht herkommen?
procontra: Müsste vor einem Aufsichtswechsel nicht die Wirksamkeit des erst 2013 eingeführten Paragrafen 34f Gewerbeordnung (GewO) evaluiert werden?
Wirth: Unbedingt. Eine Evaluierung der damaligen Regulierung hat bisher nicht stattgefunden, obwohl dies im Gesetzgebungsverfahren festgeschrieben worden war. Dank der Finanzanlagen-Vermittlungsverordnung (FinVermV) und dem etablierten System aus Wirtschaftsprüfern und IHK funktioniert die 34f-Aufsicht weitgehend reibungslos.
procontra: Was glauben Sie, käme bei einer Evaluierung heraus?
Wirth: Da würde der Gesetzgeber feststellen, dass die damalige Regulierung zu einer deutlichen Marktbereinigung, mehr Transparenz und einer höheren Vermittlungsqualität geführt hat. Eine Evaluierung würde sehr klare Argumente für die Beibehaltung des Status Quo liefern.
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procontra: Welche Folgen für freie Finanzanlagenvermittler hätte der Wechsel der Aufsicht von der IHK hin zur BaFin?
Wirth: Von den 1.340 Teilnehmern des AfW-Vermittlerbarometers 2018 waren 64 Prozent als 34f-Vermittler und 86 Prozent als 34d-Vermittler zugelassen. Kämen die 34f-Vermittler unter BaFin-Aufsicht, ginge die halbwegs vorhandenene Einheitlichkeit der Aufsicht bei den IHK oder Gewerbeämtern verloren. Wir plädieren für eine einheitliche IHK-Aufsicht (procontra berichtete). Eine Aufspaltung hin zur BaFin brächte jedenfalls Mehrbelastungen für die Unternehmen und Effizienzverluste bei der Aufsicht.
procontra: Mit welchen zusätzlichen Aufsichtskosten für die Vermittlerbetriebe wäre zu rechnen?
Wirth: Das vorhandene Umlageprinzip für BaFin-beaufsichtigte Unternehmen wird mit Sicherheit zu einer zusätzlichen Belastung im mittleren vierstelligen Bereich pro Unternehmen führen. Konkret rechne ich mit 3.000 bis 7.000 Euro BaFin-Umlage pro Jahr und Vermittler. Das wäre der Todesstoß für viele der knapp 38.000 kleineren Unternehmen und deren Mitarbeiter. Zudem wäre es ein sehr starker Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Geschäftsbetrieb und somit verfassungsrechtlich ein äußerst bedenklicher Schritt (Artikel 12 Grundgesetz). Es wäre absurd, teuer und rechtlich fragwürdig. Last but not least würde sich die Anlageberatung zunehmend auf die großen Bankinstitutsgruppen konzentrieren.
procontra: Bliebe da nicht die Kontrolle der Berufszulassung dennoch bei der IHK und gäbe es so nicht sogar eine Doppelaufsicht und damit doppelte Bürokratie?
Wirth: In der Tat. Ein Aufsichtswechsel schafft Paragraf 34f GewO nicht automatisch ab, wobei das laut Eckpunktepapier nun auch in Planung ist. Das Verfahren zur Berufszulassung bliebe jedenfalls sehr ähnlich.
procontra: Wäre mit der BaFin-Aufsicht der 34f-Vermittler nicht die nun im Entwurf fertige Finanzanlagenvermittlungsverordnung (FinVermV) überflüssig (procontra berichtete)?
Wirth: Ja, zumindest dann, wenn die Aufsicht auch zu einem kompletten Regimewechsel dahingehend führt, dass die Finanzanlagenvermittler unmittelbar dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) unterworfen würden. So drückt es auch das Eckpunktepapier aus. Die überarbeitete FinVermV soll dann in das WpHG bzw. daran anknüpfende Bestimmungen, also Verordnungen, übernommen werden.
procontra: Warum wären von dem Aufsichtswechsel tendenziell auch Versicherungsvermittler bedroht?
Wirth: Es wäre zu befürchten, dass auf lange Sicht auch die Versicherungsvermittler nach Paragraf 34d GewO unter die teure BaFin-Aufsicht kommen – mit denselben Konsequenzen wie bei 34f-Vermittlern. Wobei es konkret einzig die Versicherungsmakler treffen würde, da die Ausschließlichkeit ja bereits der BaFin-Aufsicht unterliegt. Bislang ist Deutschland das einzige Land in Europa, in dem die Versicherungsaufsicht nicht auch die Aufsicht über alle Vermittler hat. Dies führt schon jetzt dazu, dass die BaFin verstärkt versucht, über eine Kontrolle der Versicherer die Versicherungsvermittler zu kontrollieren.
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procontra: Was könnte dies für die Zukunft der Versicherungsmakler bedeuten?
Wirth: Es ist sicher kein Traum eines Versicherungsmaklers, der ja Sachwalters des Kunden ist, durch den Versicherer kontrolliert zu werden, quasi als verlängerter Arm der BaFin. Daher wohl auch die Ambition der BaFin selbst, die Aufsicht direkt an sich zu ziehen. Nicht nur unter dem Kostenaspekt kann man den Eindruck haben, dass freie Versicherungs- und Finanzanlagenvermittler unerwünscht sind.
procontra: Wie man hört, kalkuliert die BaFin mit 350 neuen Stellen. Können Sie das bestätigen?
Wirth: Man hört so einiges, aber welche Zahl letztlich durchsetz- und finanzierbar wäre, ist völlig offen. Die in dem Eckpunktepapier skizzierten Vorstellungen lassen eine deutlich niedrigere Zahl möglich erscheinen.
procontra: Wie könnte der Zeitplan zum Aufsichtswechsel aussehen und was können Vermittler jetzt sinnvollerweise in eigener Sache tun?
Wirth: Zum Zeitplan äußert sich das Eckpunktepapier auch. Danach soll der Wechsel im Jahr 2021 erfolgen. Als Verband der unabhängigen Vermittler lehnt der AfW den Aufsichtswechsel ab und führt dazu Gespräche auf vielen Ebenen. Noch ist das Gesetz nicht verabschiedet.
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