Vermögensverwaltung: Roboter auf dem Rückzug
Zwei große Robo-Advisor treten den Rückzug an: Scalable beendet sein Angebot für Privatanleger in Großbritannien. Und Moneyfarm verlässt Deutschland, um sich auf Großbritannien und Italien zu fokussieren. Die Beispiele belegen, dass die automatisierte, digitale Vermögensverwaltung für Retail-Kunden in Schwierigkeiten steckt.
Aktuell tummeln sich etwa 20 Anbieter auf dem deutschen Markt. In Summe verwalten sie rund sechs Milliarden Euro. Gregor Povh, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Persephone, nennt auf Anfrage ein Potenzial von sechs bis acht Millionen Kunden mit einem freien Vermögen von insgesamt 250 Milliarden Euro.“ Nach oben wäre also noch ganz viel Luft. Doch anders als erwartet, hält sich das Interesse der deutschen Kunden an einer auf Maschinen und Algorithmen basierten Vermögensverwaltung in Grenzen. Das Ergebnis: Fast kein „Robo“ verdient Geld.
Kritische Masse liegt bei 1 Milliarde Euro
Beobachtern zufolge muss das Asset under Management mindestens bei rund einer Milliarde Euro liegen, damit sich das Geschäft lohnt. Auf die Bedeutung hoher Volumina weist auch Axel Wieandt, Honorarprofessor der privaten Hochschule WHU, hin:
„Die Kosten der Kundenakquisition betragen immer noch mehrere Hundert Euro, so dass es angesichts der geringen Margen in der Summe großer Kundenvolumina bedarf.“
Die kritische Masse zu erreichen, ist ein Problem. Das schematische Vorgehen der Roboter und die oft einheitlichen Anlagelösungen schreckt Kunden offenbar ab.
Vor allem die sehr vermögende Klientel fühlt sich bei Robotern nicht gut aufgehoben. Dies ist der Grund, weshalb zum Beispiel die Berenberg Bank im Bereich Wealth Management auf die digitale automatisierte Vermögensverwaltung verzichtet. „Mit einigen wenigen Fragen, die über einen Robo-Advisor gestellt werden, lässt sich in der Beratung nicht die Tiefe erreichen, die wir bei komplexen Vermögensstrukturen brauchen“, sagt Klaus Naeve, Co-Head Wealth and Asset Management bei Berenberg.
Der deutsche Markt ist schwierig
Auch Persephone-Geschäftsführer Povh analysiert die Gründe für die Probleme der Robo-Advisor. Seiner Meinung nach „ist der deutsche Markt in der Tat schwierig.“ Kaum ein Anleger stecke sein gesamtes liquides Vermögen in ein für ihn neues Angebot. Daher bleibe vom Marktpotenzial in Höhe von 250 Milliarden Euro nicht mehr als zehn bis 20 Milliarden Euro übrig. Und wie Naeve sagt auch Povh, dass mit der Größe des Vermögens das Interesse an einem standardisierten Anlagemodell sinke.
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Der Berater für Banken und Versicherungen nennt einen weiteren Grund: Die in Deutschland wenig ausgeprägte Aktienkultur. Blicke man nach den USA, wo von einem Asset under Management in Robo-Advisors in Höhe von einer Billion US-Dollar auszugehen sei, stelle sich die Frage, wie sich der Unterschied erklären lässt. Die Antwort sei einfach: Anders als in Deutschland hätten amerikanischen Arbeitnehmern in dem seit 1978 eingeführten steuerlich begünstigten 401k-Plan zum Aufbau ihrer Altersvorsorge wesentliche Entscheidungsfreiheiten bei der Auswahl der zugrundeliegenden Finanzprodukte. Diese Entscheidungen seien von vielen US-Bürgern seit jeher an darauf spezialisierte Vermögensverwalter delegiert worden.
Die USA machen es besser
Die Gebühren dafür würden aber die Rendite drücken. Als dann die ersten Angebote zur automatisierten Verwaltung der 401k-Pläne auf den Markt kamen, wurden sie von den etablierten Vermögensverwaltern zunächst belächelt und abfällig als „Robo-Advice“ – daher der Name – betitelt. „Der Erfolg der Robo-Advisors ließ das Lachen aber schnell verstummen“, betont Povh. Und zusammenfassend: „Der langen Rede kurzer Sinn: Das Wachstum der digitalen Vermögensverwaltung in USA basiert auf der steuerlich begünstigten Altersvorsorge, im Gegensatz zu den deutschen Angeboten, die auf eine günstigere Verwaltung bereits versteuerten freien Vermögens abstellen.“
Aber selbst unter diesen Bedingungen würden Robo-Advisor – mit Ausnahme von Vanguard – auch in den USA keine Gewinne erzielen. Die dort ausgeprägten Skaleneffekte würden von hohen operativen und regulatorischen Kosten aufgezehrt. Ähnliches ließen auch die Zahlen von Moneygram vermuten: Einnahmen von drei Millionen Euro stünden Kosten von 15 Millionen Euro gegenüber, und dass bei 45.000 Kunden und einem insgesamt verwalteten Vermögen von rund einer Milliarde Euro.
Versicherer im Vorteil
Um auf Dauer erfolgreich zu sein, müssten die Robo-Advisor ihren Markt weiter definieren und in benachbarte Bereiche expandieren, meint Povh. Tatsächlich geschieht das bereits. Scalable zum Beispiel ist inzwischen auch als Online-Broker unterwegs. Auch wurde das digitale Angebot inzwischen um menschliche Berater ergänzt. Diesen Weg beschreiten auch andere Robo-Advisor. Povhs weiteren Ausführungen zufolge braucht es Robo-Advice-Lösungen, die individuelle Wünsche von Anlegern berücksichtigen, ohne die Skaleneffekte aus der Automatisierung zu verlieren. Wem das gelänge, hätte im Markt eine „riesige Chance“.
Auch eine Expansion in den Bereich der Altersvorsorge sei naheliegend. Das Problem: Der Staat begünstige über seine Steuerpolitik Produkte von Versicherern. Um wettbewerbsfähig zu sein, müssten Nicht-Versicherungsunternehmen mindestens eine Überrendite in Höhe der bei Versicherungsprodukten enthaltenen Steuervorteile generieren. Wenn überhaupt, sei der Bereich Altersvorsorge nur von Versicherern und Robo-Advisor gemeinsam adressierbar.
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