Offene Immobilienfonds

Risiken von OIFs: „Spätestens der Vertrieb muss darauf hinweisen“

Offene Immobilienfonds haben in der Regel eine sehr geringe Risikoklasse. Zurecht? Über die Risiken von OIFs, die Abwertung des UniImmo: Wohnen ZBI, Anlegerklagen und mögliche Investment-Alternativen sprach procontra mit Professor Steffen Sebastian von der Universität Regensburg.

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10:10 Uhr | 22. Oktober | 2024
Steffen Sebastian

Professor Dr. Steffen Sebastian ist Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienfinanzierung an der IRE|BS International Real Estate Business School und Direktor am Center for Finance der Universität Regensburg.

| Quelle: Christian Buck

procontra:

Offene Immobilienfonds sind in der Regel in der Risikoklasse 1 eingruppiert. Ist das angesichts der Krise von 2008/09 und der jüngsten deutlichen Abwertung des „UniImmo: Wohnen ZBI“ angemessen?

Steffen Sebastian:

Pauschal ist die Risikoklasse 1 sicherlich nicht angemessen. Auch wenn der ZBI sicher ein Ausnahmefall ist, sieht man an diesem Beispiel, dass es ein Risiko gibt, dass sich realisieren kann. Der ZBI hatte sich nicht besonders risikoarm aufgestellt – es wurde ein alter Bestand sehr schnell aufgekauft. Zudem wurde sehr kleinteilig zugekauft - das macht den Fonds teuer in der Verwaltung sowie der effizienten Bewirtschaftung. Die Standorte – Zwickau, Dortmund, Duisburg oder Chemnitz – sind darüber hinaus als riskant zu bewerten. All das sind Faktoren, die man in einem konservativen, risikoarmen Portfolio nicht haben möchte. Der ZBI war demzufolge kein diversifizierter, sondern ein spezialisierter Fonds.

procontra:

Wie können denn Anleger mögliche Gefahren erkennen?

Sebastian:

Ein Blick ins Portfolio der Fonds ist hier schon hilfreich. Wenn man beispielsweise Fonds nebeneinanderlegt, die auf die Anklageklasse Wohnimmobilien in Deutschland spezialisiert sind, werden hier schon große Unterschiede deutlich, die Rückschlüsse aufs Risiko zulassen. Und sollte das der Kunde nicht machen, muss hier spätestens der Vertrieb darauf hinweisen.

procontra:

Sollte dieser dann von solchen Fonds abraten?

Sebastian:

Nein, man kann als Fondsanbieter eine solche risikobehaftete Strategie ja durchaus fahren. Dass eine solche Strategie auch Erfolg versprechen kann, zeigen börsennotierte Immobilienunternehmen, die in strukturschwache Gebiete gehen und es dort schaffen, die Vermietungsquoten zu steigern. Es ist also durchaus möglich, Geld zu verdienen, aber es ist auch riskant – vor allem im Hinblick auf die Wertsteigerungsrenditen. Jemand, der solche  Fonds verkauft, muss das wissen und den Kunden auch entsprechend über die Risiken warnen.

procontra:

Was raten Sie Anlegern, die in diese Anlageklasse investieren möchten?

Sebastian:

Generell gilt auch für die Risikoklasse 1: Anleger sollten sich nicht auf ein einzelnes Asset beschränken, sondern ihr Geldanlage diversifizieren. Entsprechend sollte nur ein Teil des Vermögens in offene Immobilienfonds investiert werden und dann sollte man diesen Teil auch noch auf mehrere Fonds aufteilen. Ein guter Vertrieb müsste hierzu auch raten.

procontra:

Müsste klingt danach, dass es nicht immer geschieht.

Sebastian:

Vielen Kunden muss man erst einmal erklären, was ein offener Immobilienfonds überhaupt ist. Dann den Kunden die Strategien von sechs verschiedenen Fonds aufzuzeigen, ist natürlich sehr zeitintensiv. So funktioniert allerdings Vertrieb nicht, der will schließlich verkaufen. Und auch der Kunde dürfte nicht immer die Geduld mitbringen, sich über eine Stunde eine Assetklasse erklären zu lassen. Nichtsdestotrotz: Das sollte das Ziel des Vertriebs sein.

procontra:

Die Kanzlei Goldenstein Rechtsanwälte gab unlängst bekannt, dass sie eine Klage wegen Falschberatung gegen die Volksbank Böblingen, deren Mitarbeiter den Uni Immo Wohnen ZBI vertrieben hatten,  eingereicht hat. Wie bewerten sie deren Erfolgsaussichten?

Sebastian:

Das ist von außen natürlich schwer zu beurteilen. Wer heute aber noch offene Immobilienfonds verkauft und anpreist, dass diese kein Verlust-, kein Abwertungsrisiko haben und wertstabil seien, muss sich allerdings die Frage gefallen lassen, ob er über die Risiken adäquat aufgeklärt hat. Je nachdem was da in den Beratungsgesprächen erzählt worden ist, sehe ich die Klagen als nicht vollkommen chancenlos.

procontra:

Die Bundesregierung hat in Folge der Fondskrise 2008/09 Mindesthalte- und Rückgabefristen eingeführt, die die ausreichende Liquidität der Fonds sicherstellen sollen. Sind diese Regeln Ihrer Meinung nach ausreichend?

Sebastian:

Erstens: Die Krise damals war durch die Politik ausgelöst worden, die vorschlug, dass die Fonds pauschal um zehn Prozent abgewertet werden. Das war natürlich ein Anreiz für viele Anleger damals, aus den Fonds auszusteigen. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass die Politik eine solch grobe Dummheit ein zweites Mal begeht. Unabhängig davon sehe ich die Fonds jedoch auch deutlich besser aufgestellt. Dadurch dass die Fonds durch die neuen Fristen deutlich illiquider sind, ist entsprechend auch das Liquiditätsrisiko gesunken. Und die Liquidität, die die Fonds heute noch versprechen, da bin ich mir ziemlich sicher, können diese auch halten.

procontra:

Sehen Sie für Immobilien-affine Anleger denn derzeit eine reizvollere Alternative zu offenen Immobilienfonds? Beispielsweise Aktien von Immobilienunternehmen?

Sebastian:

Unter Kostengesichtspunkten ist das sicherlich eine interessante Option. Ich halte offene Immobilienfonds prinzipiell weiter für die richtige Anlage für Anleger, die kleine Beträge investieren möchten. Das Problem ist hierbei aber nicht das Risiko, es sind die Kosten. Das liegt vor allem an der Vertriebsform mit hohen Abschlussgebühren und hohen Bestandsprovisionen. Das Problem besteht bei Aktien nicht, entsprechend können Immobilienunternehmen-Aktien oder REITs [Real Estate Investment Trusts] eine Alternative darstellen. Auch hier gilt allerdings: Nicht das gesamte Vermögen in Einzelaktien investieren, sondern ein breites Portfolio aufbauen.