Wasserstoff-Aktien: Gelobt und tief gefallen

Für Wasserstoff-Unternehmen ging es in den vergangenen Monaten turbulent zu an den Märkten. Nur eine vorübergehende Durststrecke oder ist ein Ende des Hypes in Sicht?

07:08 Uhr | 11. August | 2021
Wasserstoff als Energiequelle, Bild: Adobe Stock/ Mediaparts

Grüner Wasserstoff könnte als alternative Energiequelle in einer Vielzahl von Industrien dienen. Bild: Adobe Stock/ Mediaparts

Naturkatastrophen, Extremwetter, Artensterben – der Klimawandel macht sich auf der ganzen Welt immer deutlicher bemerkbar. Lösungen müssen her, und zwar schnell. Als Hoffnungsträger gilt der sogenannte grüne Wasserstoff. Damit ist Wasserstoff gemeint, der aus Wasser durch Wasserspaltung mit Elektrolyseuren aus erneuerbaren Energien gewonnen wird. Bis zum Jahr 2050 könnten 24 Prozent der weltweiten Energienachfrage mit sauberem Wasserstoff gedeckt werden, die Wasserstoffwirtschaft könnte zudem laut Schätzungen der Bank of America ein Umsatzvolumen von 2,5 Billionen US-Dollar und ein Infrastrukturpotential von elf Billionen US-Dollar erreichen.

Hype (vorerst) beendet

Das grüne Versprechen hat lange Zeit für eine beeindruckende Entwicklung der entsprechenden Unternehmen an der Börse gesorgt. Doch damit ist seit diesem Frühjahr Schluss. Paradebeispiel: Weltmarktführer Ballard-Power. Das Unternehmen enttäuschte Anleger zuletzt mit den Quartalszahlen für das erste Jahresviertel. Dem Unternehmen mangelt es nicht nur an Gewinnen, sondern auch an Umsatz. Ballard-Power kann Investitionen in die eigene Technologie nur mit Hilfe von externen Investoren finanzieren. Dementsprechend niedrig notiert das Unternehmen am Markt. Zeitweise fielen die Kurse um 35 Prozent.

Auch andere wichtige Player, wie Nel ASA oder Fuelcell Energy, verzeichneten Verluste. Ebenso tendieren die bisher rar gesäten Wasserstoff-Fonds derzeit nach unten, beispielsweise der L&G Hydrogen Economy ETF, der Van Eck Vectors Hydrogen Economy ETF und der GG Wasserstoff R Fonds. Da das Anlegerinteresse an nachhaltigen Geldanlagen und somit auch an Wasserstoff wächst, stehen Berater nun vor der Frage: Ist der Trend nun endgültig begraben, oder legen die Wasserstoff-Titel nur eine Pause ein?

Schuld an der jüngsten Preisentwicklung sind laut Aanand Venkatramanan, Leiter ETF-Investmentstrategien bei Legal & General Investment Management (LGIM), vier Faktoren: Zum einen die Schwäche im breiteren Energiesektor zu Beginn des Jahres, zum anderen pandemiebedingte Einschränkungen bei den Investitionsausgaben von Unternehmen. „Hinzu kommen langsamer als erwartete Ankündigungen von politischer Unterstützung für grünen Wasserstoff aufgrund von Covid-19. Ebenso wie geringere Kohlenstoff-Strafzahlungen für Industrien mit hohem Kohlenstoff-Fußabdruck, was den Unternehmen den Anreiz nimmt, von schmutzigen Brennstoffen wegzukommen“, erklärt Venkatramanan.

Mit der bevorstehenden politischen Unterstützung in vielen Ländern der Welt und den weiter sinkenden Produktionskosten erwartet er jedoch eine größere Akzeptanz von grünem Wasserstoff. Beschleunigen könnten das seiner Ansicht nach höhere Kohlenstoff-Strafzahlungen für Industrien mit hohem CO2-Fußabdruck.

Seite 1: Wasserstoff-Hype (vorerst) beendetSeite 2: Auf welche Titel sollten Berater jetzt setzen?

Auch Robert Zeuthen, Fondsmanager des BNY Mobility Innovation Funds bei Mellon, ist überzeugt davon, dass der Trend noch lange nicht zum Halten kommt: „Die Wasserstoffwirtschaft befindet sich noch in einem frühen Stadium der Entwicklung. Dementsprechend ist ein langfristiger Anlagehorizont bei Investitionen in Wasserstoff unerlässlich“, erklärt er. 

Die Umstellung auf Wasserstoff werde sich in den nächsten Jahrzehnten vollziehen, da Investitionen in die Energieinfrastruktur naturgemäß in die Länge gezogen werden.  „Wir gehen davon aus, dass die grundlegenden Fortschritte in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts und darüber hinaus greifbarer werden, wenn sich die politischen Maßnahmen und Investitionen aus Europa, China, Japan und Korea deutlicher bemerkbar machen“, sagt Zeuthen. Gleichzeitig sieht er in der kürzlich vorgeschlagenen EU-Klimagesetzgebung einen weiteren Beweis dafür, dass nachhaltige Lösungen wie Wasserstoff eine wichtige Rolle bei der Mobilitätsinnovation spielen und der Weltwirtschaft helfen können, sich auf eine grünere Zukunft einzustellen. 

Doch auf welche Titel sollten Berater nun setzen, wenn ihre Kunden langfristig von dem Trend profitieren sollen? „Grüner Wasserstoff könnte als Einsatzstoff oder als alternative Energiequelle in einer Vielzahl von Industrien dienen“, sagt Aanand Venkatramanan. Dazu gehören etwa Düngemittelhersteller oder Stahlproduzenten bis hin zu Mobilitätsanbietern. „Daher ist es wichtig, ein diversifiziertes Engagement in Unternehmen aufzubauen, die von diesen breiten Wachstumstreibern profitieren werden, während es gleichzeitig noch wichtiger ist, ein Engagement in den technologischen Enablern und Innovatoren zu suchen.“ Hierzu zählen etwa Hersteller von Elektrolyseuren, Brennstoffzellen und anderen kritischen Komponenten.

Fest steht: Geduld ist gefragt, und eine gewisse Risikobereitschaft. Bei den Unternehmen zählt neben dem Geschäftsmodell vor allem das Zukunftspotenzial. Umsatzstark ist keines der Unternehmen, mit Ausnahme von Air Liquide und Linde Praxair. Die Spezialisten beliefern Unternehmen in aller Welt mit Sauerstoff, Wasserstoff und anderen Gasen. Analysten empfehlen beide Titel derzeit mehrheitlich zum Kauf, Investoren haben hier den Vorteil, dass die Konzerne relativ breit aufgestellt und bereits global etabliert und vernetzt sind. Nichtdestotrotz bleiben Hersteller von Elektrolyseuren wie Ballard Power, Nel Asa und Powercell fürs erste relevante Player in der Wasserstoffindustrie.

Welches Unternehmen sich langfristig am Markt durchsetzen, lässt sich kaum vorhersagen – und es wird wohl auch noch einige Jahre dauern, bis sich ein klares Bild abzeichnet. Berater legen ihren Kunden daher am besten eine Mischkalkulation ans Herz.

Wenn Ihnen dieser Artikel gefällt, abonnieren Sie unseren täglichen kostenlosen Newsletter für weitere relevante Meldungen aus der Versicherungs- und Finanzbranche!

Seite 1: Wasserstoff-Hype (vorerst) beendetSeite 2: Auf welche Titel sollten Berater jetzt setzen?