„Versicherer investieren stark in Ausschließlichkeitsvertrieb“
Nur 20 Prozent der Ausschließlichkeitsvermittler sind modern aufgestellt. Dieser Aussage stimmten 62 Prozent unter rund 55 Vorständen und Führungskräften der Versicherungsindustrie zu, wurde im Rahmen des EY Innovalue Versicherungs-Roundtables Ende 2019 ermittelt. Ein durchaus schlechtes Zeugnis, das dem Exklusiv-Vertrieb von den eigenen Vorständen ausgestellt wird. Grund genug, bei EY Innovalue nachzufragen.
procontra: Was bedeutet im Rahmen Ihrer Umfrage „modern aufgestellt“ genau?
Julia Palte: „Modern“ meint eine grundsätzlich zukunftsfähige Aufstellung der AO. Das betrifft insbesondere das grundsätzliche Geschäftsmodell, beispielsweise durch die Auswahl der Kundenzielgruppe. Weitere relevante Erfolgsfaktoren für eine zukunftsfähige AO sind ein moderner Agenturauftritt, sowohl physisch als auch digital, oder der Einsatz moderner Verfahren der Kundenakquisition und Bestandsbetreuung sowie digitale Schadenprozesse. Hinzu kommen dann die Produkte und Services, Personal und Qualifikation, interne Prozesse und Technik sowie Führung und Steuerung.
Versicherer investieren stark in AO
procontra: In den letzten Jahren haben die Versicherer massiv ihren Ausschließlichkeitsvertrieb zusammengestrichen. Ist eine Fortsetzung dieser Entwicklung angesichts des Umfrageergebnisses wahrscheinlich?
Palte: Die Aussage, dass Ausschließlichkeitsvertriebe massiv zusammengestrichen wurden und werden, teile ich nicht. Im Gegenteil: Viele Versicherer haben in den vergangenen Jahren stark in ihren Ausschließlichkeitsvertrieb investiert und ihn modernisiert und digitalisiert. Und das tun sie auch weiterhin. Das beginnt mit der Umsetzung von Omnikanalstrategien und -konzepten, die beispielsweise den Online-Abschluss von Policen über die Website von Vermittlern ermöglichen, geht weiter über digitale Leadprozesse und neue Vergütungsmodelle für die Betreuung hybrider Kunden bis hin zu neuen CRM- bzw. Agenturverwaltungssystemen.
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procontra: Inwieweit müsste sich die Weiterbildung der Vermittler ändern, um die von den Vorständen kritisierte fehlende moderne Aufstellung zu verbessern?
Palte: Es geht weniger um die Weiterbildung als vielmehr um einen Mindset-Shift, der infolge der Marktveränderungen und des Umbruchs von bisherigen Geschäftsmodellen notwendig wird. Als Versicherer ist es wichtig, keine „One size fits all“-Ansätze zu verfolgen, wenn man nicht nur auf ein Agenturmodell bzw. -typ setzen möchte. Die Agenturlandschaft ist sehr heterogen, daher sind auch unterschiedliche Weiterentwicklungs- bzw. Optimierungsmaßnahmen erforderlich. Bei einigen Ausschließlichkeitsagenturen geht es sicherlich um die Weiterentwicklung in eine hybride Welt, denn die wenigsten Kunden sind nur digital oder nur analog unterwegs. Deshalb sind hier entsprechende Überzeugungsarbeit sowie das Näherbringen digitaler Instrumente und Tools für die eigenen Agenturprozesse sowie die kundenrelevanten Prozesse notwendig. Bei anderen kann es um smarte Nachfolgekonzepte gehen. Bei wenig oder sogar schlecht performenden Agenturen geht es eher darum, ein bestimmtes Mindestlevel zu erreichen.
procontra: Ist es nicht Aufgabe der Vorstände, das fehlende „moderne Mindset“ in ihrem Vertrieb zu implementieren?
Palte: Das ist nicht nur eine Aufgabe der Vorstände. Vielmehr müssen die Versicherer insgesamt so aufgestellt sein, dass sie ihre Vermittler auf deren Weg in ein zukunftsfähiges Modell unterstützen.
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