Verwahrentgelt: Müssen Bankkunden den Negativzinsen auf ihre Einlagen zustimmen?
procontra: Herr Nauhauser, zurzeit versenden einige Banken – teils zum wiederholten Mal – eindringliche Aufforderungen an ihre Kunden, Vereinbarungen zu unterschreiben, die es ihnen erlauben ein so genanntes Verwahrentgelt für Einlagen zu erheben. In den Medien ist dabei oft von Straf- oder Negativzinsen zu lesen, die an den Kunden weitergegeben werden. Lassen sich die Begriffe synonym verwenden?
Niels Nauhauser: Verwahrentgelt ist in diesem Fall der juristisch korrekte Ausdruck. Die anderen Begriffe beschreiben den Sachverhalt nicht richtig. Es handelt sich dabei schließlich nicht um eine Strafe – und ein Zins ist eine Leistung, die man als Darlehensnehmer bezahlt und nicht als -geber.
procontra: Auf der Webseite der Verbraucherzentrale haben Sie Ihren Standpunkt zum Thema zusammengefasst. Darin heißt es, durch das Erheben eines Verwahrentgeltes auf Ersparnisse bei der Bank werde der „Vertragszweck auf den Kopf gestellt“. Was ist damit gemeint?
Nauhauser: Kunden gehen erst einmal davon aus, für ihre Anlage Geld zu erhalten und nicht draufzuzahlen – damit rechnet niemand, vor allem nicht, wenn der Vertrag schon vor längerer Zeit geschlossen wurde. Hat der Verbraucher bei einer Bank in der Vergangenheit ein Festgeldkonto oder einen langfristigen Sparvertrag abgeschlossen, wurde ursprünglich festgelegt, dass die Bank dafür einen Zins zahlt. Das kann sie bei bestehenden Verträgen nicht einfach so ins Gegenteil verkehren, indem sie ein Verwahrentgelt einführt. Im Falle von Riester-Verträgen der Kreissparkasse Tübingen sind wir gegen negative Grundzinsen bereits gerichtlich vorgegangen. Bei Neukunden kann sich die Lage anders darstellen, ihnen dürfen Banken Verträge anbieten, die die Hereinnahme von Geld nur gegen ein Entgelt vorsehen. Dann handelt es sich aber um einen transparenten kostenpflichtigen Verwahrvertrag, den der Kunde abschließen oder ausschlagen kann.
procontra: Die Banken argumentieren in ihren Schreiben mit der Minuszinspolitik der Europäischen Zentralbank. Dann heißt es zum Beispiel „Bislang haben wir diese Belastung nicht an Sie als Kunden weitergegeben. Das ist angesichts des anhaltenden Zinsumfeldes nun leider nicht mehr möglich.“ Ist diese Begründung schlüssig?
Nauhauser: Das ist eine Argumentation, die der Verbraucher zunächst einmal gar nicht überprüfen kann. Bei einem Kredit zahlt man Dispozinsen, Raten- und Immobilienkredite kosten ebenfalls Geld. Warum die Bank für die Einlage nicht auch einen Zins zahlen kann, wenn sie das Geld anschließend in Form eines Kredits zu einem höheren Zinssatz weitergibt, ist Kunden also erst einmal nicht ersichtlich. Solche Aussagen sind nur eine Rechtfertigung der Bank, die Akzeptanz für das Entgelt schaffen soll. Inhaltlich haben sie keine Relevanz. Aus den Gewinn- und Verlustrechnung der Banken ergibt sich zudem: Der Aufwand, den sie aufgrund der Minuszinsen für das Parken von Geld bei der EZB begleichen müssen, ist vergleichsweise überschaubar. Die Bank könnte doch auch an den Ausgaben für ihre Gehälter oder Mieten sparen.
procontra: Kann ich nun als Kunde die vielfachen Aufforderungen meiner Bank, eine solche Vereinbarung zu unterschreiben, einfach ignorieren?
Nauhauser: Selbstverständlich – Kunden müssen diese Vereinbarung nicht unterschreiben.
procontra: Mit welchen Konsequenzen muss ich rechnen, wenn ich meine Einwilligung verweigere?
Nauhauser: Der Bank steht es – innerhalb der rechtlichen Möglichkeiten – frei, gewisse Verträge zu kündigen. Ob sie das tatsächlich tun wird, bleibt abzuwarten. Bisher sind uns zumindest keine Fälle bekannt geworden, in denen Banken Geschäftsverbindungen oder Einlagenverträge gekündigt haben, weil Kunden diese Vereinbarungen nicht unterschrieben haben. Entscheidend ist die Geschäftspolitik der jeweiligen Bank: Ist sie bereit, die Geschäftsverbindung zu riskieren, um einen meist sehr überschaubaren Betrag an Minuszinsen in Rechnung stellen zu können?
procontra: Welche Fristen gilt es einzuhalten, sollte es zur Kündigung kommen?
Nauhauser: Das passiert nicht von heute auf morgen, die AGB sprechen da meist von einer angemessenen Frist, bei Girokonten ist sie nicht kürzer als zwei Monate. Verbraucherinnen und Verbraucher haben dann also genügend Zeit, um sich eine neue Geschäftsverbindung zu suchen.
procontra: Und was sind dann mögliche Alternativen?
Nauhauser: Es gibt nach wie vor etliche Banken, die für Festgelder noch Zinsen zahlen, wenn man dort ein Konto eröffnet – wenn auch nur in Höhe von einem halben oder Dreiviertel Prozent. Das sind insbesondere Direktbanken, die generell schlanker aufgestellt sind und daher geringere anderweitige Kosten haben. Wer noch über ein Sparbuch verfügt, kann auch darauf einzahlen, hier sind Negativzinsen nach unserer Auffassung rechtlich generell ausgeschlossen, da der Sparcharakter nun einmal in der Rechtsnatur dieses Produktes liegt. Fürs Girokonto gilt, dass eine Bank nicht gleichzeitig eine Kontoführungsgebühr und ein Verwahrentgelt berechnen kann, aber abschließend ist das auch noch nicht in allen Variationen geklärt. Verbraucherinnen und Verbraucher sollten auf jeden Fall skeptisch sein, wenn Finanzvermittler oder Banken nun nicht ganz uneigennützig vorschlagen, man müsse das Geld am Aktienmarkt anlegen, weil man sonst keine Zinsen bekäme – das ist natürlich zum einen falsch und zum anderen mit erheblichen Risiken verbunden.
procontra: Gibt es eine Webseite, auf der sich Verbraucher einen Überblick verschaffen können, welche Banken ab welchen Sparsummen Verwahrentgelte berechnen?
Nauhauser: Nein, da es dafür keine zentrale Meldestelle gibt und da viele Institute das nur individuell vereinbaren, kann es eine solche Seite nicht geben. Vergleichsportale wie Verivox und Biallo haben Erhebungen dazu veröffentlicht – diese beruhen aber auf den Informationen, die Banken ihnen zur Verfügung stellen und sind damit nicht vollständig und verlässlich.
Niels Nauhauser ist Abteilungsleiter Altersvorsorge, Banken, Kredite bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg e.V.