Falschberatung

Finanzberaterin muss über 23.000 Euro Schadenersatz zahlen

Ein Ehepaar verklagte seine Finanzberaterin auf Schadenersatz, nachdem ein Investment in einem Totalverlust endete. Die Vermittlerin erklärte jedoch, es habe gar keinen Beratungsvertrag gegeben. Das sah ein Gericht anders.

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11:07 Uhr | 07. Juli | 2023
Symbolbild

Wann ist ein Beratungsvertrag im Rahmen einer Anlageberatung tatsächlich zustande gekommen? Eine Frage, deren Antwort erhebliche Folgen für die Haftung hat. Ein Landgericht Verden kam darüber kürzlich zu einer Entscheidung.

| Quelle: z_wei

Wann ist ein Beratungsvertrag im Rahmen einer Anlageberatung tatsächlich zustande gekommen? Eine Frage, deren Antwort erhebliche Folgen für die Haftung hat und die eigentlich einfach sein müsste – könnte man meinen. Aber ganz so simpel ist es dann offenbar doch nicht.

Genügt es zum Beispiel bereits, wenn der Finanzberater oder die -beraterin einfach „nur“ berät, ohne dass vorab eine Beratungsgebühr vereinbart worden ist? Und liegt bereits ein stillschweigender Abschluss eines Beratungsvertrags vor, wenn im Ergebnis der Privatinvestor darauf aufbauend eine Anlageentscheidung trifft?

Genau darüber hatte das Landgericht Verden kürzlich zu entscheiden. In dem Fall verklagte ein Ehepaar seine Finanzberaterin auf Schadenersatz, nachdem ein Investment in einem Totalverlust endete.

Was war passiert?

Die Finanzberaterin, eine Nachbarin des Ehepaar, beriet die beiden Privatanleger bereits seit vielen Jahren zu Versicherungsthemen. Im Rahmen eines Gesprächs zur Anlageberatung, dass 2011 in der Wohnung des Paar stattfand, übergab die Finanzberaterin ihren Kunden einen Werbeflyer. Darauf waren die Kurzinformationen zu einem Investment in Geokraftwerke aufgeführt. Was sie hingegen nicht bekamen: ein Exemplar des Vollprospekts.

Anschließend kauften die Kläger 100 Namensschuldverschreibungen der Fröschl GeoKraftWerke GmbH für 20.000 Euro zzgl. eines Aufschlags von fünf Prozent (1.000 Euro), dem sogenannten Agio. Das Paar konnte anschließend Namensschuldverschreibungen, die von den Emittenten des Unternehmens ausgegeben wurden, erwerben und sollten so von dem Ertrag der Geothermie Kraftwerke profitieren.

Namensschuldverschreibungen

Dabei handelt es sich um eine Unterklasse der Inhaberschuldverschreibung, eine Art Anleihe, die auf den Namen des Gläubigers ausgestellt wird. Sie ist damit also nicht übertragbar und kann auch nicht an der Börse gehandelt werden: Der Inhaber der Namensschuldverschreibung ist also nicht zum Handel berechtigt. Das Wertpapier muss bis zum Ende der Laufzeit gehalten werden, weder finanzielle Bedürfnisse noch Marktentwicklungen können etwas daran ändern. Es handelt sich um Finanzprodukte, die in erster Linie von institutionellen Anlegern genutzt werden, wie zum Beispiel Versicherungen. Für private Anleger sind sie weniger geeignet. Die Namensschuldverschreibung gilt als sichere Anlageform, weil die Kursschwankungen geringer sind und die Zinssätze im Vertrag vorab geregelt werden. Aber: Der Zinssatz ist oft gering, weil er sich am Leitzins orientiert.

Zuvor hatte das Ehepaar der Finanzberaterin gegenüber erklärt, Ziel ihres Investments sei eine sichere Altersvorsorge und ein sicherer Vermögenaufbau. Daraufhin habe die Beraterin auf die Nachhaltigkeit der Anlage und auf die Festverzinsung in Höhe von 7,25 Prozent verwiesen. Zudem versprach sie einen attraktiven Überschusszins und prognostizierte einen berechenbaren Gewinn.

Diesen Aussagen haben die beiden Anleger vertraut. Die Geothermie-Projekte verliefen jedoch nicht wie prognostiziert. Im Jahr 2020 wurde das Insolvenzverfahren über die Geokraftwerke.de GmbH eröffnet. Daraufhin verklagten die unzufriedenen Kunden die Beraterin auf Schadenersatz aus Beratungshaftung und Prospekthaftung.

Die Finanzberaterin hingegen erklärte, sie sei nur die „Tippgeberin“ gewesen und weder als Beraterin noch als Vermittlerin aufgetreten. Die Beratung sei durch eine andere Person erfolgt, zu der sie nur den Kontakt vermittelt habe. Sie selbst habe die Anlage gar nicht gekannt.

Das Urteil im Detail

Das sah der Richter offenbar anders: Demnach sei durchaus ein Beratungsvertrag zwischen Klägern und Beraterin zustande gekommen, denn in Zusammenhang mit der Geldanlage habe eine Beratung stattgefunden. „Tritt ein Anlageinteressent an einen Anlageberater oder dieser an den potentiellen Erwerber/Investor heran, um über eine Kapitalanlage beraten zu werden bzw. zu beraten, so wird das darin liegende Angebot zum Abschluss eines Beratungsvertrages durch Aufnahme des Beratungsgespräches angenommen“, heißt es in dem von der Kanzlei Aslanidis, Kress & Häcker-Hollmann erstrittenen Urteil.

Eine Entgeltvereinbarung zwischen Vermittler und Kunden sei keine notwendige Voraussetzung für einen verbindlichen Vertrag.

Stillschweigender Abschluss

Es handele sich um einen stillschweigenden Abschluss eines Beratungsvertrags, mit dem eine Haftungsgrundlage bei falscher Auskunft einhergeht. Schließlich war die Auskunft der Beklagten für die Kunden von erheblicher Bedeutung und Grundlage für die Anlageentscheidung. Für das Landgericht steht fest: Ein Beratungsgespräch hat stattgefunden, in dem die Beraterin den Klägern „ausdrücklich“ die Investition in die Geokraftwerke als sicher, werthaltige Anlage zur Altersvorsorge empfohlen hat. Sie sei also nicht nur „Tippgeberin“ gewesen.

Ein weiteres Problem an der Argumentation der Beklagten: Sie hat einen Zeichnungsschein als Vermittlerin unterzeichnet. Sie begründete das damit, dass der Berater, zu dem sie lediglich den Kontakt hergestellt haben wollte, in einem Telefonat ihr gegenüber erklärt hatte, dass eine Unterschrift durch sie „schon in Ordnung sei, wenn die Kläger keinen Wert auf (seine) Anwesenheit legen würden“, heißt es in dem Urteil.

Die klagenden Eheleute sahen das anders. Ihnen zufolge habe die Beklagte selbst das Investment vorgeschlagen, zumal sie auch den Prospekt überreicht hatte. Die Beklagte behauptete außerdem, der Finanzberater habe mit den Klägern vor Ort Beratungsgespräche geführt. Allerdings war nach Überzeugung des Landgerichts an dem genannten Tag der Berater überhaupt nicht vor Ort gewesen.

Beratung: weder anleger- noch anlagegerecht

Ausgehend davon, dass eine Beratung tatsächlich stattgefunden hat, betont das Landgericht: Eine Beraterin hat Kunden anleger- und anlagegerecht zu beraten. Dabei muss sie den Wissenstand der Kunden und dessen Risikobereitschaft beachten und mögliche Risiken berücksichtigen. Aus Sicht des Richters ist aber genau das nicht passiert, die Beraterin habe also ihre Beratungspflicht verletzt.

Auch habe die Beklagte ihre Kunden nicht darauf aufmerksam gemacht, dass mit dem Erwerb der Namensschuldverschreibung erhebliche Verlustrisiken bis hin zu einem Totalverlust einhergehen – das gelte auch für geschlossene Fonds. Darüber hinaus bemängelte das Gericht, dass die Beraterin den Anlegern lediglich einen Werbeflyer statt eines Vollprospekts übergeben hat.

„Als hätten sie die Anlage nie getätigt.“

Der Vorsitzende Richter am Landgericht Verden kam am zu dem Schluss (Geschäftszeichen: 2O57/22): Die Finanzberaterin muss insgesamt 23.122,84 Euro sowie Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 22. April 2022 an das Ehepaar zahlen. Die Gesamtsumme setzt sich aus 18.730,34 Euro Schadenersatz und 4.392,50 Euro, dem entgangenen Gewinn, zusammen. Die Kläger sollen so gestellt werden, als hätten sie die Anlage nie getätigt.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.