Zukunftsfinanzierungsgesetz

Neue Chancen, aber auch Risiken für Anleger

Entgegen der ursprünglichen Pläne hat sich die Bundesregierung von ihren Plänen zur Erhöhung der Arbeitnehmer-Sparzulage verabschiedet. Das nun vorgelegte Zukunftsfinanzierungsgesetz betrifft Anleger gleich in mehreren Bereichen. Auch die eine oder andere Kröte müssen sie schlucken.

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15:08 Uhr | 21. August | 2023
Finanzminister Christian Lindner

Im aktuellen Entwurf des von Finanzminister Christian Lindner auf den Weg gebrachten Zukunftsfinanzierungsgesetzes wird das Thema betriebliche Altersvorsorge wieder ausgespart.

| Quelle: sean gallup/staff

In Zeiten des Fachkräftemangels sind vermögenswirksame Leistungen, also Geld, dass der Arbeitgeber direkt in die Altersvorsorge seiner Angestellten steckt, für Bewerber durchaus ein Argument für oder gegen ein Unternehmen. Üblicherweise geht das Geld in klassische Vermögensanlagen wie Bau-, Bank- oder Fondssparpläne. Die Leistungen können aber eben auch umgewandelt werden und in die betriebliche Altersvorsorge (bAV) fließen. Schließlich hat deren Beliebtheit seit der Pandemie noch einmal zugenommen.

Zusätzlich zum Arbeitgeber bezuschusst auch der Staat den Aufbau des Vermögens in Form der Arbeitnehmersparzulage. Im sogenannten Vermögenbildungsgesetz ist klar geregelt, bis zu welcher Höhe der Staat sich beteiligt: „Die Arbeitnehmer-Sparzulage beträgt 20 Prozent der (…) vermögenswirksamen Leistungen, soweit sie 400 Euro im Kalenderjahr nicht übersteigen, und 9 Prozent (…) soweit sie 470 Euro im Kalenderjahr nicht übersteigen.“

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte ursprünglich geplant, die Summe von 400 Euro auf 1.200 Euro zu verdreifachen. So stand es zumindest im 143-Seiten starken „Entwurf eines Gesetzes zur Finanzierung von zukunftssichernden Investitionen“. Mit dem sogenannten Zukunftsfinanzierungsgesetz (ZuFinG) will Lindner den Standort Deutschland wieder attraktiver machen und die wirtschaftliche Flaute überwinden. Doch offenbar hat es sein Ansinnen zur Änderung des Vermögensbildungsgesetzes nicht in den finalen Gesetzesentwurf geschafft, der vergangene Woche im Bundeskabinett beschlossen worden ist. Zu vermögenswirksamen Leistungen findet sich im aktuellen Papier: nichts.

Dabei hätte eine Anhebung der vermögenswirksamen Leistungen der bAV den dringend benötigten Anschub verschaffen können. Zumal die Politik eigentlich eine breitere bAV-Marktdurchdringung bis hin zu 80 Prozent anstrebt, wie Rolf Schmachtenberg, Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium (BMAS), erklärte. „Der Regierungsentwurf zum Zukunftsfinanzierungsgesetz erfüllt nicht die Erwartungen vieler Sparer“, kritisiert der deutsche Fondsverband (BVI).

Erleichterter Börsegang für Start-ups

Derweil hat das Papier die Start-up-Szene in Entzücken versetzt. Laut Gesetzesentwurf sollen sich Start-ups künftig leichter über den Kapitalmarkt finanzieren können. Ihr Börsengang soll erleichtert werden, indem das Mindestkapital für den Börsengang von aktuell 1,25 Millionen Euro auf eine Million Euro gesenkt wird. „Die neuen Regelungen entsprechen den Bedürfnissen der Wirtschaft nach einem unbürokratischeren, digitaleren und moderneren Rechtsrahmen (…): Hiervon werden gerade Start-ups, Wachstumsunternehmen und kleine und mittlere Unternehmen profitieren“, kündigte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) an.

Während sich also Wachstumsunternehmen über Finanzierungserleichterungen freuen, zeigen sich Aktionäre und Fondsverband besorgt. Schließlich ist nicht nur die geplante Anpassung des Höchstbetrags der geförderten vermögenswirksamen Leistungen entfallen. „Zuvor waren bereits die steuerlichen Freibeträge für Aktien und Aktienfonds gestrichen worden. Damit wird eine große Chance vertan, Kleinanlegern die stärkere Teilhabe an renditestarken Anlageformen zu ermöglichen“, moniert der BVI.

Mehrstimmrechtsaktien: Künftig „One share – Ten Votes“?

Darüber hinaus bemängelt der Verband die geplante Einführung von Mehrstimmrechtsaktien für die Börsengänge aller Unternehmen. Dabei handelt es sich um Aktien, die das Vielfache des einfachen Stimmrechts einer normalen Aktie haben, im aktuellen Gesetzesentwurf sogar bis zum Zehnfachen. Unternehmen könnten also Aktien mit Stimmrechten ausgegeben, die den Anteil am Grundkapital des Unternehmens übersteigen. Das schade Klein- und Großanleger und verhindere die Mitspracherechte der Investoren. Das „One Share, One Vote“-Prinzip sei grundlegend für das Engagement der Aktionäre, so der BVI. Nicht ohne Grund ist das Mehrfachstimmrecht Ende der Neunzigerjahre abgeschafft worden.

Der Gedanke hinter dem aktuellen Vorstoß: Start-ups sollen sich so leichter Geld vom Kapitalmarkt holen und gleichzeitig die Kontrolle behalten können. Aktionäre, die das finanzielle Risiko tragen, könnten dann also nicht mehr wie bisher über die Zukunft eines Unternehmens mitentscheiden. Allerdings ist das Vorhaben noch nicht in Stein gemeißelt: „Die Zulassung von Mehrstimmrechtsaktien wird durch gesetzliche Regelungsvorschläge zur Gewährleistung des Minderheiten- und Anlegerschutzes ergänzt“, heißt es in dem Papier.

Bestandsanleger haben das Nachsehen

Doch es gibt noch ein weiteres Vorhaben, dass Anleger Stirnrunzeln bereiten könnte. Demnach soll das sogenannte Bezugsrecht verändert werden. Kommt es zu einer Erhöhung des Kapitals, können Investoren ihren Anteil am Grundkapital auf dem Vorniveau halten, indem sie neue Aktien erwerben. Dieses Recht gilt, solange es keinen sachlichen Grund gibt, der dagegenspricht. Es sei denn, die Barkapitalerhöhungen sind höher als zehn Prozent des Grundkapitals. Das ist der sogenannte vereinfachte Bezugsrechtsausschluss.

Und genau daran will das Bundesfinanzministerium schrauben und die Grenze auf 20 Prozent anheben – inklusive eines Anfechtungsausschlusses. Dadurch könnten sich Anleger nicht einmal darauf berufen, dass der Wert einer Einlage unangemessen niedrig ist, also zu viele Aktien für die Einlage gewährt worden sind, erklärt Markus Kienle, Vorstand der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK), im Gespräch mit der Wirtschaftswoche. „Das Ganze läuft im Ergebnis auf eine Enteignung der Bestandsaktionäre zugunsten künftiger Aktionäre hinaus“, warnt der Aktionärsschützer im Gespräch mit dem Magazin.

Offene Immobilienfonds als Steigbügelhalter für die Energiewende

Eine weitere Neuerung betrifft Offene Immobilienfonds (OIF): Sie sollen künftig bis zu 15 Prozent ihres Volumens in Grundstücke investieren, auf denen sich ausschließlich Anlagen zur Erzeugung, zum Transport und zur Speicherung von Strom, Gas oder Wärme aus erneuerbaren Energien befinden – diese Anlagen sollen sie auch selbst betreiben können. Bisher handelte es sich dabei nicht um zulässige Vermögensgegenstände für offene Immobilienfonds. „Für die Erreichung der Klimaziele spielt es jedoch keine Rolle, auf welchem Grundstück erneuerbare Energien erzeugt werden. Im Sinne der angestrebten Verbesserungen für Investitionen des Privatsektors sollte es deshalb auch Anbietern von offenen Immobilienfonds erleichtert werden, für ihre Anleger verstärkt in erneuerbare Energien zu investieren, um den CO2-Fußabdruck der Fondsimmobilien (Gebäude) zu reduzieren“, schreiben die Autoren des Gesetzesentwurfs.

Ein Vorhaben, das in der Branche begrüßt wird. „Ein großes Marktpotenzial“, verspricht sich die Commerzbank-Sachwertetochter Commerz Real, die den offenen Immobilienfonds Hausinvest betreibt. „Sollte das Gesetz in der Form auch von der Legislative verabschiedet werden, so werden wir unser jahrelanges Know-how im Bereich der erneuerbaren Energien nutzen, um die neuen Möglichkeiten für uns so rasch wie möglich auszuschöpfen“, so Hausinvest-Fondsmanager Mario Schüttauf. Ziel sei es, die Immobilien im Portfolio mittel- bis langfristig selbst mit Strom versorgen zu können. Durch günstige Konditionen für die Mieter würden die Immobilien attraktiver, demzufolge würde sich auch die Bewertung erhöhen. „Und davon profitieren dann letztlich unsere Anleger“, glaubt Schüttauf.

Zustimmung findet der Vorstoß auch beim Gesamtverband der Versicherungswirtschaft (GDV) der jedoch Ergänzungen fordert: „Die Ausweitung des Anlagekatalogs für Spezialfonds nach dem Kapitalgesetzbuch und Immobilieninvestmentfonds um Erneuerbare-Energien-Anlagen sollte aus Sicht des GDV auch im Investmentsteuerrecht Berücksichtigung finden.“ Es sei notwendig, identische Anpassungen im Investmentsteuergesetz vorzunehmen, damit sich nicht ungewollt aus dem Investmentsteuerecht Investitionshindernisse für EE-Anlagen ergeben, sagt GDV- Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. Auch der Fondsverband bewertet die Öffnung der Anlagemöglichkeiten als positiv, weist jedoch auf das Fehlen der „steuerrechtlichen Flankierung“ hin.

Crowdfunding-Haftungsregelung verbessern

Finanzminister Lindner stört sich an ungleichen Wettbewerbsverhältnissen zwischen Deutschland und dem europäischen Ausland. Tatsächlich ist die derzeitige Crowdfunding-Haftungsregelung im Finanzmarktrecht strenger als in anderen europäischen Mitgliedstaaten. Derzeit ist es so, dass Geschäftsführer und Emittenten für eine Emission bereits bei einfacher Fahrlässigkeit persönlich haften.

„Um diese Wettbewerbsnachteile auszugleichen, erfolgt eine Angleichung an die rechtlichen Rahmenbedingungen in anderen europäischen Mitgliedstaaten“, heißt es in dem Entwurf. So sollen die Regeln zur Haftung bei der Schwarmfinanzierung vereinfacht und rechtssicher werden. 

Der Bundesverband Crowdfunding befürwortet die Anpassung der Haftungsbedingungen an das Haftungsregime für Wertpapiere und Vermögensanlagen, „da sie aus systematischen Erwägungen heraus zwingend ist und zudem die momentan noch sehr geringe Akzeptanz der Schwarmfinanzierungsverordnung in Deutschland entscheidend steigern kann“, erklärte der Verband bereits nach der Veröffentlichung des Referentenentwurfs. Die bisherige Regelung sei weder ausgewogen noch orientiere sie sich an den bestehenden Haftungsnormen im Prospektrecht.

Am 29. September wird sich der Bundesrat zum Entwurf des Zukunftsfinanzierungsgesetzes äußern, im Anschluss besprechen die Parlamentarier das Papier im Bundestag. Ende dieses Jahres soll das Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen werden.